30. November 2020 (aktualisiert am 08. September 2021)      Erstellt von Viktoria Szostakowski      Künstliche Intelligenz

Autonomes Fahren: Eine sichere Zukunftsvision?

Werbespots und Zukunftsvisionen vermitteln Narrative über eine fortschrittliche digitalisierte Welt, wie beispielsweise darüber, wie modernes Straßenleben dank Künstlicher Intelligenzen aussehen kann: selbstfahrende Autos, automatisierte und pünktliche Busse, mitdenkende Ampeln und lautlose Elektroantriebe. Viele dieser Vorstellung sind schon stets die Realität, doch Deutschland ging bisher auf Nummer sicher. Die Gründe dafür sind hauptsächlich Bedenken bezüglich der Verlässlichkeit der Fahrzeugtechnologie und die Angst vor Hackern. Im autonomen Fahren steckt jedoch viel Potenzial für eine moderne und sichere Zukunft.

Autonomes Fahren: Gespaltene Meinungen

Die Umfrage „Autonomes Fahren der Zukunft“ von AlixPartners zur Verbraucherstimmung zeigt, dass die Bereitschaft zu autonomen Fahren weiterhin eingeschränkt ist. Befragt wurden weltweit rund 6700 Verbraucher. Aus der Umfrage geht hervor, dass die Autoindustrie seine Zielgruppe falsch einschätzt: Sowohl das Interesse an hochautomatisierten und vollautonomen Fahrzeugen als auch die Bereitschaft, einen finanziellen Aufschlag für die neue Technik zu zahlen, hält sich in Grenzen. Interessanter erscheinen stattdessen autonome Ride-Hailing-Angebote, wenn diese preislich mit dem Unterhalt des eigenen Autos mithalten können. Ride-Hailing-Anbieter stellen automatisch gesteuerte und individuell buchbare Taxis zur Verfügung.

Dem gegenüberstehen aber auch überzeugende Vorteile. Autonomes Fahren hält das Potenzial bereit, gesellschaftliches Leben, die Sicherheit im Verkehr und europäische Wirtschaftsstärke auszubauen. Es ist vorstellbar, dass sich, je nach Verbreitung automatisierter Fahrzeuge, die Unfallzahlen reduzieren lassen. Schließlich lässt sich der Großteil aller Autounfälle auf menschliches Versagen zurückführen. Zudem könnten ältere und leistungseingeschränkte Menschen besser in alltägliche Situationen des gesellschaftlichen Lebens integriert werden und der ländliche Raum könnte sich dank günstigerer automatisierter Busse und Taxis besser erschließen lassen.

Hoffnungsspende Prognose

Eine aktuelle Studie des Prognos-Forschungsinstituts zum autonomen Fahren für den ADAC lässt vermuten, dass automatisierte Fahrzeige nur schleichend im Straßenbild sichtbar werden. Ein Grund hierfür ist insbesondere, dass Autos durchschnittlich bis zu zwanzig Jahre im Einsatz sind und dementsprechend solche, die mit moderner Technologie ausgestattet sind, erst nach gewisser Zeit zum Einsatz kommen werden.

Optimistisch betrachtet geht die Studie davon aus, dass der Anteil von automatisierten Neufahrzeugen, die dem Fahrer ermöglich, auf der Autobahn auf die Fahraufgabe zu verzichten, von 2,4 Prozent im Jahr 2020 auf 70 Prozent im Jahr 2050 steigen wird. Ab 2030 sollten mit Citypilot ausgerüstete Fahrzeuge, sprich selbstfahrende Autos auf der Autobahn und in der Stadt, öfter anzutreffen sein. Erst nach 2040 ist mit einer größeren Anzahl an PKWs, die unabhängig von der Umgebung völlig autonom fahren können, zu rechnen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass wahrscheinlich bis zum Ende des 21.Jahrhunderts weiterhin gängige neben vollautomatisierten Fahrzeugen auf unseren Straßen zu finden sein werden. Zwar könnte man meinen, dass die Hoffnung auf eine höhere Sicherheit dank automatisierter Technik geplatzt ist, jedoch versprechen leistungsfähige Assistenzsysteme dasselbe. Assistenzsysteme, wie Notbremsassistenten, können die Anzahl an Unfällen reduzieren und somit zur Straßensicherheit beitragen. Diese sind mittlerweile schon verbreiteter als autonome Selbstfahrsysteme.

Deutschland schafft neue Rahmenbedingungen für autonomes Fahren

Bislang beschäftigen sich insbesondere branchenführende Autohersteller, wie Waymo und Tesla, mit dem Ausbau vollautomatisierter Fahrzeuge. Jedoch benötigt es nicht nur entsprechende Technologie und Mechanik, sondern auch rechtliche Rahmenbedingungen. Deutschland möchte nun hier ansetzen: Das Verkehrsministerium hat angekündigt, ein Gesetz zu formulieren, das den Betrieb von Autos, die Level 4 des autonomen Fahren beherrschen, auf öffentlichen Straßen regelt. Bei autonomen Fahren des Levels 4 handelt es sich um vollautomatisiertes Fahren, bei dem das Fahrzeug überwiegend selbstständig fährt, der Fahrer jedoch fahrtüchtig sein muss. "Dieser Schritt ist essentiell auf dem Weg zum autonomen Fahren", sagt Dr. Benedikt Wolfers, der auf Regulierung des Automobilsektors spezialisiert ist.

Mit diesem Gesetz könnten Fahrzeuge auch weite Strecken auf Autobahnen zurücklegen. Es ist jedoch wichtig, dass dieses Gesetz nicht nur Vorteile für die deutsche Automobilindustrie verspricht. Mit einem technologieoffenem Gesetz könnten auch internationale Automobilhersteller ihre Fahrzeuge auf deutschen Autobahnen betreiben, sofern diese die technischen Rahmenbedingungen erfüllen. Denn: "Mit diesem Gesetz ist Deutschland weltweit führend", so Dr. Benedikt Wolfers.

Dieser Umstand setzt einige Autohersteller unter Druck. Frühere Erklärung für zögerlich vorangehende Entwicklung automatisierter Technologien, wie beispielsweise, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen diese einschränken, wären damit hinfällig. Ricky Hudi, ehemaliger Leiter Elektrik/Elektronik bei Audi und jetzt unter anderem Vorsitzender von "The Autonomous", befürchtet, dass viele Automobilhersteller mit dem aktuellen Zeitgeist nicht mithalten können. "In der traditionellen Automobilindustrie ist auf der Vorstandsebene zu wenig Software-Kompetenz vorhanden", so der Experte. Ein Umdenken und die Technologie betreffende Reformen seien nötig.

Jedoch ist nicht mit einem direktem Einstieg ins autonome Fahren zu rechnen, sondern es wird wahrscheinlich noch fünf Jahre dauern, bis die ersten automatisierten PKWs ins Laufen kommen. Diese werden auch zunächst in klar definierten und damit beherrschbaren Bereichen und Szenarien, sogenannten "Operational Design Domains" (ODD), unterwegs sein. Diese sind People Mover auf dem Universitätscampus, auf dem Firmengelände oder als Transporter am Flughafen.

Erste fahrerlose Transportfahrzeuge im Probebetrieb

Seit März 2019 erprobt Volkswagen mit fünf umgerüsteten e-Golf, die den Automatisierungsgrad Level 4 beherrschen, autonomes Fahren auf einer Teststrecke in der Hamburger Innenstadt. Damit die Autos das Verkehrsgeschehen komplett erfassen, sind 11 Laserscanner, 7 Radare sowie 14 Kameras an Bord. Mit den dadurch gesammelten Information erschließt die VW-Software das Verkehrsverhalten anderer Teilnehmer und lernt dieses zu interpretieren. Parallel beginnt das Bundesland Niedersachsen, Ampelanlagen umzurüsten und Kameras an Kreuzungen aufzustellen. Kommuniziert wird nicht über Mobilfunktechnik, sondern mit etwa 800 Metern Reichweite per WLAN.

Zudem werden die ersten LKWs von MAN und DB Schenker auf der A9 erprobt, die ebenfalls über WLAN kommunizieren. Es handelt sich um den Versuch, mehrere LKWs, die auf der gleichen Strecke unterwegs sind, zu einer Einheit zu verbinden. Diese soll so aussehen, dass der erste LKW-Fahrer die Geschwindigkeit und Richtung vorgibt, während alle anderen Lastwagen ihm von jeweils einem Abstand von 15 Metern automatisiert folgen und dabei selbstständig lenken und bremsen.

In deutschen Städten, wie Berlin und im niederbayerischen Bad Birnbach, sind schon die ersten Tests zum autonomen Fahren im Gange. Hier fahren erste öffentliche Nahverkehrsbusse ohne Fahrer. Diese können zwar mit nur höchstens 15 km/h eine programmierte Strecke abfahren, halten aber dank vieler Sensoren zuverlässig vor jedem Hindernis.

KI-Systeme für höhere Sicherheit bei autonomen Fahren

Wie bereits erwähnt, sollen mithilfe autonomen Fahrens Unfälle reduziert und eine sicherer Straßenverkehr gewährleistet werden. Dafür werden intelligente KI-Systeme benötigt, die irgendwann auch autonomes Fahren in Extremsituationen sicher gestalten sollen. Das Berliner Startup Phantasma Labs hat dazu eine Software entwickelt, die autonomen Autos Trainingssituationen bietet, anhand dessen sie sich auf mögliche Unfallszenarien vorbereiten können.

Extremsituationen, sogenannte Edge-Cases, können Selbstfahrsystemen autonomer Autos darin trainieren, wie mit Gefahrsituationen gerecht umzugehen ist. Solche Extremsituationen, wie ein Fußgänger, der plötzlich die Straße betritt, oder einen Fahrradfahrer im toten Winkel, treten in Trainingsumgeben selten auf, sind aber wichtig, damit autonomes Fahren in der realen Welt sicher geschehen kann. Die Software arbeitet maßstabsgetreu und in Echtzeit, um die Trainingssituation so realistisch wie möglich nachzuempfinden.

Neben der gezielten Darstellung von Extremsituationen ist die Plattform darauf ausgelegt, alle Variationen menschlichen Verhaltens zu simulieren. So könnte die Plattform ein normales Stadtbild mit seiner Vielzahl an zu beachtenden Vorgängen simulieren. Phantasma Labs stellt eine wichtige Unterstützung zur Entwicklung autonomer Systeme dar, indem jede denkbare Situation schnell am Computer erzeugt werden kann.

Fazit

Es ist erkenntlich geworden, dass momentan sehr viel daran gearbeitet wird, dass das Internet of Things, worunter autonomes Fahren eine wichtige Anwendung darstellt, bald unser gesellschaftliches Leben bestimmt und unterstützt. Zahlreiche IT-Unternehmen beschäftigen sich mit Situationen, die unsere Sicherheit gewährleisten und unserem Alltag Abhilfe verschaffen.

Im Rahmen zahlreiche Probebetriebe und einzelnen, kleinen Anwendungen autonomer Fahrzeuge befindet sich die Automatisierung unserer Straßen in den Startlöchern. Zwar wird die vollständige Einführung noch seine Zeit brauchen, jedoch könnten wir langsam damit beginnen, auf eine fortschrittliche und digitalisierte Zukunft mit autonomen Maschinen und intelligenten KIs zu vertrauen.