30. März 2020 (aktualisiert am 28. Februar 2024) Erstellt von Viktoria Szostakowski Internet und DSL
Seit die Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus greifen, findet das alltägliche Leben vermehrt im virtuellen Raum statt. Sowohl der Job, sozialer Austausch als auch Freizeitaktivitäten spielen sich online ab. Logischerweise fällt der Internet Traffic, also der Datenverkehr im Netz, im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Krise deutlich höher aus. Welche Auswirkungen diese Entwicklung mit sich bringt und welche Maßnahmen diesbezüglich getroffen werden, erfahren Sie in diesem Artikel.
Immer mehr Menschen verbringen ihren Alltag zuhause. Das bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf gesellschaftliches Leben, sondern dessen Verlegung ins Internet. Das Home Office ersetzt das Büro, Videokonferenzen die Meetings und Netflix den Kinobesuch. Das Arbeiten von Zuhause aus und zahlreiche Online-Medien beanspruchen das Internet im neuen Maße.
Das tatsächliche Nutzungsverhalten lässt sich am besten an den Zahlen des größten Internet-Knotens DE-CIX in Frankfurt ablesen. Dieser berichtet seit der Corona-Krise eine kontinuierlich wachsende Internetnutzung. Insbesondere die Nutzung von Videokonferenzen, den sozialen Medien und Online- und Cloud-Gaming hätte enorm zugenommen. Seit Anfang März misst der Internetknoten DE-CIX in Frankfurt eine rasant wachsende Datenübertragungsrate: Am 19. März meldet der DE-CIX in Frankfurt eine Zunahme des durchschnittlichen Datenverkehrs um 10 Prozent und somit einen Weltrekord von über 9,1 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde. Aber auch weitere DE-CIX Knotenpunkten, wie beispielsweise in Hamburg, München, Madrid oder Dallas, melden zunehmenden Internet Traffic.
Das Interessante an der Entwicklung ist, dass nicht nur der Datenverkehr im Allgemeinen zugenommen, sondern sich das Nutzungsverhalten explizit verändert hat. Anders als zuvor bewegt sich die Internetnutzung nicht mehr in Wellen, sondern bleibt über den Tag verteilt gleich. Während zuvor die Internetnutzung morgens um 6 Uhr begann und abends gegen 21 Uhr seinen Höhepunkt erreichte, sind nun weniger zeitliche Differenzen zu vermerken. Die Aktivität ist über den Tag relativ konstant. Entsprechende DE-CIX Frankfurt Statistiken können jederzeit eingesehen werden.
Die steigende Nachfrage und der wachsende Internet Traffic führten zu Ungewissheit und zu der Befürchtung, das Internet könnte überlastet werden und sogar ausfallen. Zudem kursierten im Internet Theorien, dass die Abschaltung des Internets geplant wäre, um so Netze zu schonen. Diese Theorien erwiesen sich jedoch als Falschmeldungen. Tatsächlich sollten wir uns in Sachen Internet keine Sorgen machen.
Im Interview mit Zeit Online beruhigt Thomas King, Chief Technology Officer des DE-CIX, die Internetnutzer. Man sei auf die wachsende Nachfrage vorbereitet: „Wir nutzen unsere verfügbaren Kapazitäten nie über 63 Prozent aus. Wann immer wir an die 63 Prozent kommen […] bauen wir entsprechend aus. […]. Wir sind vierfach redundant, das bedeutet: Wenn uns ein Viertel unserer Infrastruktur wegbrechen würde, hätten wir nur noch 75 Prozent unserer Kapazitäten. Selbst dann wären aber immer noch 12 Prozent für mögliche Steigerungen verfügbar“, so King.
Außerdem sollen in Angesicht der akuten Lage vorgesehene Ausrüstungen vorgezogen werden. Dabei orientiere man sich an Erfahrungen aus Italien. Dort wurde ein 40-prozentiger Anstieg des Datenverkehrs gemeldet, sodass sich laut King auch der DE-CIX auf eine Steigerung des Datendurchsatzes um 40 Prozent vorbereitet.
Eine weitere Herausforderung ist, dass auch die Netze von Internetprovidern, sprich die Internetverfügbarkeit in Ihrem Zuhause, sichergestellt wird. Dafür ist es wichtig, dass Internet- und Contentprovider ihre Kapazitäten ausbauen. King ist aber auch hier zuversichtlich: „Wir merken hier aber auch deutlich, dass unsere Kunden – und verstärkt die Internet- und Contentprovider – seit einigen Tagen größere Kapazitäten bei uns abfragen. Das ist ein deutliches Zeichen für den wachsenden Bedarf“.
Auch die Deutsche Telekom, der weltweit größte Betreiber von Internet-, TV-, Telefon- und Mobilfunknetzen, meldet ebenfalls eine vermehrte Nutzung der Netze. Laut der Pressestelle habe dies jedoch keine negative Auswirkung auf die Netzstabilität. Die Deutsche Telekom meldet zuletzt am 07.April 2020 zuverlässige Netzstabilität.
Die Deutsche Telekom habe bereits im Januar Notfall- und Pandemiepläne gestartet und sich so rechtzeitig auf die besondere Situation vorbereitet. Aus dem Interview mit Walter Goldenits, Geschäftsführer der Technik Telekom Deutschland, geht hervor, dass schon seit den ersten Meldungen aus China interne Arbeitsgruppen gegründet und Notfallpläne vorbereitet wurden. „Unsere Experten modellieren aktuell alle möglichen Lastszenarien für die nächsten Tage und Wochen. Weiterhin beobachten wir die Lage ganz genau“, so Goldenits.
Die Deutsche Telekom steht momentan vor einer großen Herausforderung. Schließlich trägt sie nicht nur eine große Verantwortung gegenüber Privatkunden, sondern sorgt auch für die Kommunikation und den Betrieb beispielsweise von Not- und Rettungsdiensten, Krankenhäusern und Behörden.
M-net, ein regionaler Telekommunikationsanbieter aus Bayern, versichert ebenfalls, dass es bisher keine Probleme bei der Netzstabilität gibt. Hermann Rodler, technischer Geschäftsführer von M-net, berichtet von ähnlichen Beobachtungen wie DE-CIX und die Deutsche Telekom. Die Nutzer seien nun auch tagsüber aktiver, insbesondere im Downstream, sprich bei Downloads oder Streaming-Diensten. Der Upstream habe sogar um das Doppelte zugenommen, was wahrscheinlich an Live-Streams, Online-Konferenz und der Nutzung der VoIP-Telefonie liegt.
Das Netz von M-net basiere komplett auf Glasfaser, weshalb die Datenübertragung nach oben hin nahezu offen sei. Rodler sieht keine Gefahr, dass das Netz überlasten könnte. Schließlich nutzen die bestehenden Verbindungen derzeit nur einen Bruchteil der technisch verfügbaren Bandbreite aus.
Anders sieht es aber bei Kabelnetz und DSL aus. Für eine stabile Netzübertragung ist die letzte Meile entscheidend, sprich die letzte Strecke vom Verteilerkasten der Provider in die Haushalte. Je nach Übertragungstechnik kann eine unterschiedlich hohe Datenrate erreicht und Stabilität gesichert werden. Bei Glasfaser handelt es sich um die momentan beste Übertragungstechnik in Sachen Bandbreite, jedoch sind derzeit nur etwa zehn Prozent aller Haushalte in Deutschland mit Glasfaser ausgestattet. Stattdessen sind weiterhin DSL- und Kabelnetzanschlüsse weit verbreitet.
DSL-Anschlüsse haben den Nachteil, dass sie nicht nur eine geringere Bandbreite als Glasfaser-Anschlüsse bieten, sondern auch anfälliger für elektromagnetische Störungen sind. Beim Kabelnetz teilen sich alle Kunden einen Anschlusskasten und somit die verfügbare Bandbreite. Es kann zu Einschränkungen kommen, wenn viele Kabelnutzer in einem Gebiet intensiv das Internet nutzen. Dieses Szenario setzt aber voraus, dass wirklich alle Kunden gleichzeitig datenintensive Dienste in Anspruch nehmen. Prinzipiell sind sowohl DSL- als auch Kabelanschlüsse für eine hohe Belastung gut ausgelegt, jedoch in der aktuellen Situation einer größeren Herausforderung als Glasfaseranschlüsse ausgesetzt.
Das EU-weite Gebot der Netzneutralität verhindert, dass bestimmte Dienste bevorzugt oder über das Internet übertragene Daten nicht gleichbehandelt werden. So wird verhindert, dass einzelne Online-Dienste, wie beispielsweise Netflix, nicht blockiert werden. Jedoch könnte die Ausnahmesituation in Zeiten der Pandemie diese Netzneutralität aufheben. Die entsprechende EU-Verordnung sieht vor, dass solche Maßnahmen dann umgesetzt werden können, wenn eine Überlastung des Internetnetzes vorliegt.
Eine solche Maßnahme ist technisch durchaus möglich. Internetprovider sind in der Lage zu erkennen, um welche Art übertragener Daten es sich handelt. So könnten E-Mails gegenüber Video-Streams bevorzugt werden. Jedoch ist ein solcher Extremfall, laut der Experten vom Internetknoten DE-CIX, von Internetprovidern und der Bundesnetzagentur, auszuschließen. Als Vorteil von Deutschland gegenüber anderen Ländern nennt Rodler die in Deutschland zahlreich vorhandenen Netze und Übergangsknoten, die die Ausfälle besser auffangen können.
In Krisensituation wird an die Werte Solidarität, Zusammenhalt und Gegenseitigkeit appelliert. Dies kann auch durchaus online geschehen. Nachdem EU-Kommissar Thierry Breton den Streaming-Dienst Netflix darum gebeten hat, Wege zu Reduzierung der Belastung einzuleiten, reagierte Netflix mit einer Reduktion der Streaming-Qualität für zunächst 30 Tage. Wir können diesem Beispiel folgen und unser Internetverhalten der aktuellen Lage entsprechend anpassen. So können wir auf Video-Streams in 4K auch mal verzichten, Medien wieder mal analog konsumieren und unsere Freizeitgestaltung nicht nur auf den virtuellen Raum konzentrieren.