31. Mai 2021 (aktualisiert am 06. Januar 2024)      Erstellt von Viktoria Szostakowski      Digitalisierung

Digitalisierung in Deutschland - Ein ständiges Problem

Man könnte meinen, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung des Alltags in Deutschland vorangebracht hat. Schließlich mussten viele Prozesse auf digitale Strukturen umgestellt und neue digitale Konzepte entwickelt werden. In den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Lebensmittel haben die Menschen in letzter Zeit vermehrt auf Online-Angebote zurückgegriffen. Trotzdem schneidet laut einer aktuellen Studie zur Digitalisierung Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarländern eher schlecht ab.

Neue Digitalisierungsstudie: Deutschland bildet das Schlusslicht

Die repräsentative Umfrage „Digital Sentiment Survey“ von McKinsey & Company zeigt, dass Deutschland im europäischen Vergleich digital sehr schlecht aufgestellt ist. Insgesamt wurden 20.000 europäische Konsumenten aus 19 Ländern dazu befragt, wie sich das digitale Nutzungsverhalten der Verbraucher binnen der vergangenen sechs Monate verändert hat. Zudem liefert die Umfrage eine Prognose, wie langfristig die Verhaltensänderungen sein werden.

Laut der McKinsey-Studie haben 65 Prozent der deutschen Verbraucher während der Pandemie digitale Einkaufs-, Bildungs- oder Verwaltungsdienste genutzt. Im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 80 Prozent. Aus der Umfrage geht weiterhin hervor, dass fast jeder fünfte Verbraucher in Deutschland seit Beginn der Pandemie erstmals digitale Dienste nutzt – und das lediglich aufgrund von Corona.

Weiterhin macht die Studie deutlich, dass sich ein Teil der Nutzer*innen in Deutschland, genau gesagt rund zehn Millionen, sich nach Ende der Pandemie wieder physischen Kontakt mit Dienstleistern wünschen und gerne wieder (teilweise) auf analoge Strukturen zurückgreifen würden. Die Corona-Pandemie hat es somit nicht geschafft, eine allgegenwärtige Begeisterung für Online-Dienste zu wecken. Als Hauptgründe für die Unzufriedenheit mit Online-Diensten werden die fehlende Verfügbarkeit von Produkten und schlechter Kundenservice genannt.

Trotz Corona-Effekt bildet Deutschland weiterhin das Schlusslicht

Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in einigen Bereichen weitergebracht. Es wurden auch schon Prognosen aufgestellt, inwiefern diese Krisensituation die digitale Entwicklung unserer Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Arbeitswelt, beeinflussen kann. Jedoch ist festzustellen werden, dass die aktuelle Corona-Krise wenig Beitrag zur allgemeinen Digitalisierung leistet.

Auch in der Medizin, die momentan einen sehr bedeutsamen, aber auch strapazierten Bereich darstellt, schneidet Deutschland im Vergleich mit Spanien und den USA am schlechtesten ab. Die Bevölkerungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag von Fresenius zeigt, dass Spanien Spitzenreiter ist, während Deutschland den letzten Platz belegt. Ob Vernetzung von Gesundheitseinrichtungen, Diagnosen von Krankheiten oder Telemedizin: Deutlich mehr als die Hälfte der Spanier gab bei jedem dieser Bereiche an, dass die Digitalisierung der Medizin bereits eine große Rolle spielt.

Es gibt mehrere Gründe dafür, wieso das, was in Spanien schon sehr gut läuft, in Deutschland immer noch nicht ins Rollen kommt. Zum einen zeigt die Umfrage, dass Deutsche im Vergleich zu Spanier*innen und US-Amerikaner*innen der Telemedizin weniger Bedeutung zusprechen. So werden beispielsweise Videosprechstunden deutlich seltener wahrgenommen.

Hinzu kommt, dass es in Deutschland wohl eine Frage des Alters ist, wie viel Interesse an digitalen Angeboten besteht. Während sich von den unter 30-Jährigen in Deutschland zwei Drittel einen virtuellen Arztbesuch vorstellen könnten, kommt für jeden zweiten über 60 eine Videosprechstunde nicht in Frage. Ein besonderes Hindernis sei , dass große Unterschiede hinsichtlich digitaler Angeboten bestehen. So bietet beispielsweise nicht jede Arztpraxis die Möglichkeit einer Online-Terminbuchung an.

Wieso hängt Deutschland bei der Digitalisierung so zurück?

Dass Deutschland in Sachen Digitalisierung einiges nachzuholen hat, ist nichts Neues. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen zeigen die Schwachstellen bei Deutschlands digitalen Strukturen nur noch mehr auf. Es stellt sich somit die Frage, wieso die digitale Entwicklung in Deutschland seit langer Zeit so problematisch läuft. Welche Hindernisse für die Digitalisierung bestehen überhaupt?

Zu den Großbaustellen für die digitale Entwicklung Deutschland gehören:

… die Politik:

Die Digitalisierung steht seit vielen Jahren auf Deutschlands politischer Agenda, jedoch wurde das Thema jahrelang stiefmütterlich behandelt. Zum einen mangelt es an Entscheidungsfreudigkeit, zum anderen hakt es laut Experten insbesondere an mittel- und langfristiger Politik zugunsten kurzfristig vorzeigbarer Erfolge. Hinzu kommt, dass innerhalb der Ministerien eine zu eingeschränkte Vorstellung über digitale Strukturen besteht.

… die Infrastruktur:

Mit dem technologischen Fortschritt werden auch die Entscheidungen hinsichtlich Technologien, Konzepten und Anbieterauswahl immer komplexer. Der technische Wandel erfordert neben einer ganzheitlichen Planung ein Zusammenspiel mehrerer Provider. Die Vielfalt ist aufgrund der erworbenen Lizenzen bei den Internet-Netzbetreibern durch die Politik und auch langjährige Monopolstellung der Telekom eingeschränkt. Weiterhin werden Fragen der Absicherung der Systeme hinsichtlich Cyber- und Industrial Security immer wichtiger.

… die festgefahrenen Gewohnheiten:

Es lässt sich innerhalb der Bevölkerung in Deutschland eine tendenzielle Skepsis gegenüber digitalem Fortschritt und somit weniger Bereitschaft für die Nutzung digitaler Dienste feststellen. Diese wird oft mit Unsicherheiten bezüglich Datensicherheit begründet. Weiterhin bedeutet die Umstellung auf digitale Strukturen das Ablegen von Gewohnheiten. Es ist also ein Umdenken erforderlich, das nicht jedem gleich leichtfällt.

Fazit

Die Corona-Krise hat bei den digitalen Diensten im Vergleich zwar einen Schub ausgelöst, trotzdem hängt Deutschland in Sachen Digitalisierung nach wie vor hinterher. Ob mangelnde Zielsetzungen durch die Politik, fehlende Umsetzung oder auch die geringe Nachfrage bei den Anwendern als Hauptgründe zählen, ist ungewiss. Als sicher gilt jedoch: Viele Anwender werden nach der Corona-Krise wieder auf Altbewährtes zurückgreifen und den persönlichen Kontakt zu Dienstleistern und Anbietern suchen.