28. November 2017 (aktualisiert am 12. Mai 2021) Erstellt von Melanie Heß Arbeitsleben
Viele kennen vielleicht den „Girls Day“ oder den „Boys Day“, Zukunftstage um Kindern und Jugendlichen einen Einblick in Berufe zu geben, die für ein Geschlecht aus gesellschaftlicher Sicht eher untypisch sind. Das ist eines der bekanntesten Aktionen, die ins Leben gerufen wurden um vor allem bei Frauen das Interesse für technische oder naturwissenschaftliche Berufe zu wecken. Gegründet wurde der Zukunftstag vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. und unterstützt unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Und es gibt unzählige weitere Projekte dieser Art. In der Vergangenheit wurde sich viel mit der Frage beschäftigt, ob der Mensch vielleicht sogar von Natur aus eher zu einem geschlechtertypischen Berufsfeld neigt. Diese Frage wird auch heute noch gestellt, scheint jedoch veraltet zu sein. Denn in den letzten Jahren ist der Anteil an weiblichen Fachkräften in sogenannten „MINT-Berufen“ (Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften und Technik) deutlich gestiegen. Das Interesse ist also offensichtlich vorhanden. Auf der Website des „Girls Day“ werden dazu Statistiken der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht. Darin erkennt man z.B., dass der Zuwachs der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in der Berufsgruppe Mechatronik und Automatisierungstechnik in Deutschland von 2012 auf 2015 bei fast 30% liegt. In der technischen Forschung und Entwicklung bei über 25%.
Was eine ausgeglichenere Verteilung von Männern und Frauen in verschiedenen Berufsgruppen angeht, scheint Deutschland somit auf dem richtigen Weg zu sein. Aber was passiert mit Frauen, die einen MINT-Beruf erlernen? Die guten Berufsaussichten werden meist hoch angepriesen. In der Realität sieht das mit der Karriere etwas schwieriger aus. Juniorprofessorin Kerstin Ettl von der Uni Siegen beschäftigt sich mit der Frage wieso wenige dieser Frauen so erfolgreich werden, wie Männer in vergleichbaren Beruf. Sie ist Leiterin des Forschungsprojekts „MINT dabei“, in dem die Stärkung der Selbst- und Fremdwahrnehmung von Frauen im Vordergrund steht. In einem Interview mit orange (by Handelsblatt) erklärt sie, dass sowohl das mangelnde Selbstvertrauen, als auch Vorurteile der Gesellschaft einen Einfluss auf den Erfolg im Beruf haben können. Und diese Vorurteile sind sehr tief im Menschen verankert. Schon durch die Erziehung werden viele Kinder von Eltern oder anderen Bezugspersonen in eine Richtung gelenkt. Nach Ettl sollte man Kindern vermitteln, dass ihre Wahlmöglichkeiten grenzenlos sind. Und das gilt sowohl für Jungs als auch für Mädchen, und kann im Erwachsenenalter noch viel ausmachen. Eine Studie von Microsoft aus diesem Jahr zeigt, dass Mädchen in Europa ungefähr im Alter von 12 anfangen das Interesse an MINT-Fächern zu verlieren. Außerdem geht es um den Einfluss, den Lehrer auf dieses sinkende Interesse haben. Sie können gerade im jugendlichen Alter neben den Eltern wichtige Bezugspersonen darstellen.
Es ist ein vielseitiges Thema mit einer Menge Einflussfaktoren. In Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern erkennt man eine Dynamik, die hoffen lässt, dass das Geschlecht allein irgendwann nicht mehr über Berufschancen entscheidet, sondern Interesse und Talent. Andere Länder sind noch nicht so weit, aber ein jeder sollte als Vorbild vorangehen. Ausgelöst durch die ständig fortschreitende Digitalisierung wird gerade in Ingenieursberufen oder in den Naturwissenschaften händeringend Nachwuchs gesucht. Vielleicht werden bald mehr dieser Stellen auch von Frauen besetzt sein.