12. Juni 2019 (aktualisiert am 09. September 2021) Erstellt von Viktoria Szostakowski Arbeitsleben
Im Vergleich zu männlichen Kollegen schneiden Frauen in Sachen Firmengründung eher schlecht ab: Laut dem Female Founders Monitor 2019 (FFM) betragen die von Frauen gegründeten Startups in Deutschland bloß 15,1%. Zwar verweist diese Zahl in Vergleich zu vorherigen Jahren auf ein leichtes Wachstum der Frauenquote in der Gründerszene (2018: 14,6%), jedoch ist diese Zahl weiterhin sehr niedrig.
Eine kleine Denkaufgabe. Stoppen Sie die Zeit für eine Minute und denken Sie an Gründer und Firmenchefs. Danach spielen Sie das gleiche nochmal durch: diesmal sollen Sie an Gründerinnen und Chefinnen denken. Na, etwas aufgefallen? Wahrscheinlich sind Ihnen mehr Männer als Frauen eingefallen. Dieser kleine Versuch zeigt: Obwohl Frauen durchaus für die Gründerszene qualifiziert sind, sind sie gleichzeitig leider unterrepräsentiert.
Wir bewegen uns auf einem guten Kurs, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht. Davon ausgenommen ist jedoch die Karrieremöglichkeit. Trotz der zahlreichen Versuche zur Ermutigung der Frauenwelt, wie die Einführung der Frauenquote in Vorständen, verfügen Frauen nicht oft über die gleichen Chancen und die gleiche Ausgangslage wie Männer. In der Gründerszene sind Frauen deutlich in der Unterzahl und auch die Löhne weiblicher und männlicher Kollegen klaffen um 21% auseinander, die sogenannte Gender Pay Gap 2017. Die Gender Pay Gap beinhaltet auch, dass Frauen seltener in Führungspositionen und stattdessen öfter in Teilzeit oder in schlechter bezahlten Berufen tätig sind. Das ist eine Tatsache, die so nicht bestehen sollte.
Es lässt sich ein besonderes Defizit an weiblichen Führungskräften und Gründerinnen in der digitalen Wirtschaft beobachten. Woran das liegt und wie man dem entgegen wirken kann, fragte sich eine Gruppe von mehr als 30 Gründerinnen und verfasste dazu gemeinsam das GründerINNEN-Manifest. In diesem Manifest werden die Herausforderungen und Rahmenbedingungen des Gründens beleuchtet und dessen Verbesserung sowohl in Deutschland als auch in Europa angestrebt. Diese Verbesserungsvorschläge basieren auf eigenen und ganz praktischen Erfahrungen der Verfasserinnen bei der frauengeführten Gründung eines Unternehmens in Deutschland im Bereich der Digitalen Wirtschaft.
"ZIEL DES MANIFESTS IST ES, MEHR FRAUEN ZUM GRÜNDEN ZU MOTIVIEREN, AUS WEIBLICHEN WIE AUCH MÄNNLICHEN ERFAHRUNGEN BEI DER GRÜNDUNG ZU LERNEN, UND EINE VIELFÄLTIGE PERSPEKTIVE AUF DIE BESTEN RAHMENBEDINGUNGEN FÜR GRÜNDUNGEN ZU ENTWICKELN. DAS MANIFEST WENDET SICH DAHER AN EINE VIELZAHL VON ADRESSATEN AUF DEUTSCHER UND EUROPÄISCHER EBENE. AN FRAUEN UND MÄNNER, AN ENTSCHEIDUNGSTRÄGER AUS DEN BEREICHEN POLITIK, WIRTSCHAFT, WISSENSCHAFT UND GESELLSCHAFT."
2018 wurde zum ersten Mal das Female Founders Monitor (FFM) herausgebracht. Das Ziel des FFM ist, die Bedeutung von Gründerinnen und ihre Herausforderungen in der Wettbewerbsszene in den Mittelpunkt zu rücken, um so Frauen in Wirtschaft und Politik zu stärken. In ihre aktuellen Studie stellt der FFM sechs Kernergebnisse hervor, die Einfluss auf das Gründungsverhalten von Frauen haben:
Es wird oft angenommen, dass Frauen gegenüber Männern seltener den Mut zur Gründung haben. Zwar spiegelt sich diese Annahme in den Ergebnissen der Befragung des FFM zum Thema "Gründungsneigung nach Geschlecht" wieder (39 Prozent der Männer wären bereit ein Start-Up zu gründen, bei den Frauen beträgt die Quote hingegen knapp 32 Prozent), jedoch zeigt dieses Ergebnis auch das Potenzial an mutigen und unternehmerischen Frauen. Es ist bloß an der Zeit dieses mehr auszuschöpfen. Frauen sind nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern vor allem durch soziale Themen dazu motiviert, Start-Ups zu gründen.
Insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ist für Gründerinnen sehr wichtig. Ergebnisse von Befragungen zeigen, dass Frauen ihre Arbeit stärker auf ihre familiäre Situation anpassen und daher eher flexible Arbeitsmodelle bevorzugen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Vereinbarung von Familie und Beruf eine Schwierigkeit darstellen muss. Gründerinnen sind im Vergleich öfter zufrieden mit der Vereinbarung von Familie und Arbeit als Gründer (62,7% zu 55,8%). Jedoch ist dies ein Thema, welches Frauen am meisten bewegt und daher auch mehr Unterstützung benötigt.
Im Vergleich zu Männern sind Frauen seltener in IT- und Kommunikationsbereichen vertreten. Nur 8,3% der Gründerinnen bewegen sich im digitalen und technischen Bereich, bei den Gründern sind es hingegen 35,8%. Frauen gründen vorzugsweise Start-Ups, die den Sektor Lifestyle, Gesundheit und Bildung bedienen. Ein Grund hierfür könnte der Bildungshintergrund sein. Gründerinnen absolvieren prozentual gesehen öfter ihr Studium im Bereich der Wirtschafts-, Geistes- und Naturwissenschaft und in kreativen Fächern.
Zwar sind genauso wie bei Gründern und Gründerinnen die eigenen Ersparnisse die ersten Investitionen in das eigene Start-Up, jedoch wächst mit der Firma auch die benötigte Summe an Geldern. An dieser Stelle kommen risikofreudige Investoren ins Spiel. Laut Studien sind Investoren aber eher dazu geneigt in Projekte von Gründern als in die von Gründerinnen zu investieren, obwohl beide Projekte identisch sind. Hinzu kommt, dass es sich bei den Investoren selber überwiegend um Männer handelt.
Frauen sehen bei einer Firmengründung mehr Herausforderungen als Männer. Frauen sind öfter auf die Generierung von Umsatz, Kapitalbeschaffung und das Unternehmenswachstum konzentriert. Außerdem sind Frauen zwar oft mit anderen Start-Ups vernetzt, jedoch seltener mit etablierten Unternehmen. Was die Kooperationsbeziehung mit großen Firmen angeht haben also Männer einen Vorsprung.
Frauen bringen genügend Qualifikationen mit, um sich in der Berufswelt zu behaupten. Wie die Studie des FFM zeigt, sind Frauen genauso mutig und qualifiziert wie Männer was das Gründen angeht. Daher sollten Frauen mehr Unterstützung und Anerkennung innerhalb der Gründerszene als auch von Seiten der Politik erhalten. Schließlich kann die Wirtschaft vom weiblichen Engagement nur profitieren, nämlich: wachsende Vielfältigkeit, Durchlässigkeit, Gerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Natürlich gibt es Frauen, die das schon erkannt und genutzt haben. Das heißt aber nicht, dass der Weg für Frauen zur "gläsernen Decke" einfach und barrierefrei ist.
Frauen sind im IT-Bereich eine Seltenheit. Jedoch war das nicht immer so. Zu Beginn der Computerentwicklung, also in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, galt Programmieren sogar noch als typischer Frauenberuf – wahrscheinlich weil man es für eine einfache Bürotätigkeit hielt. Heute sieht das Bild jedoch anders aus. Im Studium als auch im Beruf dominieren Männer im Bereich der Informatik. Doch was sind die Gründe? Dies ist zwar nicht einfach zu beantworten, doch ist das bestehende Rollenklischee ziemlich einleuchtend als ausschlaggebender Grund. Es wird Frauen und jungen Mädchen oft hinterhergesagt, sie seien besser in Sprachen und kreativen Bereichen als in Naturwissenschaften und in der digitalen Welt. Ein Resultat dessen ist auf jeden Fall, dass sich in Deutschland nur wenige Mädchen nach dem Abitur für ein Studium im Bereich Informatik entscheiden, nämlich lediglich 17 Prozent.
Dies ist jedoch nicht allgemeingültig. Innerhalb Europas ist Irland Spitzenreiter, was die Frauenquote der Studentinnen im Fach Informatik angeht (40%). Zudem lässt sich beobachten, dass, anders als in Industrieländern, die Frauenquote im Bereich der MINT (Naturwissenschaftlicher Bereich) und IT-Berufe in Entwicklungs- und Schwellenländer deutlich höher ist. In Malaysia liegt der Prozentanteil an Ingenieurinnen bei 50%, im Oman bei 53%. Laut Digitalministerin Dorothee Bär ist der Grund die mit einem MINT-Beruf verbundene Aufstiegsmöglichkeit:
"In Indien, im Iran oder im Irak, das sind Länder, wo Frauen tatsächlich merken, dass ihnen ein technisches Studium oder ein Studium der Informatik hilft, sich gesellschaftlich weiterzuentwickeln und im Leben voranzukommen. Das ist natürlich bei uns nicht so gegeben, weil wir da oft schon zu satt sind. Man muss nicht, um rauszukommen, unbedingt Informatik studieren."
Besonders im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind frauengeführte Firmen in der Unterzahl. Dass es trotzdem machbar und erfolgversprechend ist, zeigt Kenza Aiit Si Abbou Lyadini. Sie ist in Marokko geboren, hat Elektrotechnik in Spanien studiert, in Shanghai für die Expo gearbeitet und arbeitet mittlerweile bei der Deutschen Telekom im KI-Bereich. Anders als häufig angenommen ist diese erfolgreiche Karrierefrau kein Sonderfall. Auch die IT-Szene ist durch Frauen stark vertreten. Hier finden sich zahlreiche Beispiele an erfolgreichen technikaffinen Kolleginnen der IT-Branche.
Quelle: Statista