16. November 2020 (aktualisiert am 27. April 2022) Erstellt von Viktoria Szostakowski Cloud
Bei dem Projekt GAIA-X handelt es sich um die Idee einer europäischen Cloud-Lösung, die die Vernetzung von zentralen und dezentralen Infrastrukturen zu einem gemeinsamen System ermöglichen soll. Das von Deutschland und Frankreich vorangetriebene Projekt nimmt nun langsam Gestalt an. 22 Gründungsmitglieder haben die Non-Profit-Organisation GAIA-X AISBL mit Sitz in Brüssel gegründet. Im folgenden Artikel möchten wir Ihnen die Überlegungen zur EU-Cloud und die bisherigen Entwicklungen vorstellen.
Im Oktober vergangenen Jahres präsentierte der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seine Pläne für eine europäische Cloud-Lösung. Aus einem gemeinsamen Papier des Wirtschaftsministeriums und der beteiligten Akteure geht als Zielsetzung eine "leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa" hervor.
Das Bundesministerium für Wirtschaft & Energie (BMWi) beschreibt GAIA-X als Projekt, dass den „Aufbau einer vernetzten, offenen Dateninfrastruktur auf Basis europäischer Werte“ ermöglichen soll. Hierbei seien die Aspekte Offenheit, Transparenz und europäische Anschlussfähigkeit von zentraler Bedeutung. Durch die Vernetzung dezentraler Infrastrukturdienste soll ein homogenes, nutzerfreundliches System geschaffen werden, in dem Daten unbedenklich verfügbar gemacht und geteilt werden können.
GAIA-X soll Anbieter von Rechenzentren, Cloudlösungen, High Performance Computing (HPC) und sektorspezifischen Cloud- und Edge-Systemen insofern unterstützen, da es eine benutzerfreundliche Möglichkeit der Zusammenarbeit und der Kombination unterschiedlicher Angebote ermöglicht. Das sogenannte GAIA-X-Ökosystem folge dabei den Prinzipien Security by Design und Privacy by Design.
Altmaiers Behörde bezeichnet eine vernetzte Dateninfrastruktur als "Wiege eines vitalen, europäischen Ökosystems", da Daten „der bedeutendste Rohstoff der Zukunft" seien.
Ein ausschlaggebender Grund für die Entwicklung einer EU-Cloud sei, dass europäische Unternehmen und Organisationen Ihre Cloud-Anwendungen überwiegend von nicht-europäischen Anbietern beziehen. Dies hat eine hohe Abhängigkeit und eingeschränkte Handlungsfreiheiten zur Folge, die sich beispielsweise in Hürden bei der Datenmigration äußern. Lediglich 4 Prozent aller weltweit verfügbaren Daten seien in der EU gehostet, sagt Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland.
Eine Umfrage unter 500 IT-Experten des Markt- und Meinungsforschungsinstitutes Civey im Auftrag des eco – Verbands der Internetwirtschaft e. V zeigt, dass ein Großteil deutscher IT-Experten die Abhängigkeit von außer-europäischen Anbietern als zu hoch einschätzen. Die Abhängigkeit von nicht-europäischen IT-Lösungen sei insbesondere in den Bereichen Endgeräte (32,3 Prozent), Bürosoftware (31,7 Prozent), Netzwerk-Software (30,9 Prozent) und verschiedenen Cloud-Services (zwischen 20,4 und 26,6 Prozent) zu vermerken. Dabei seien „sichere und verlässliche digitale Infrastrukturen in Europa, wie beispielsweise Rechenzentren und Cloud-Dienste, […] die Grundvoraussetzung für digitale Souveränität“, so Waldhauser.
Mit GAIA-X soll Europa nicht mehr alternativlos sein, wenn es darum geht, qualitative Cloud-Dienste in Anspruch zu nehmen. Mit GAIA-X soll eine souveräne und vertrauenswürdige europäische Dateninfrastruktur als Lösung für EU-Unternehmen geschaffen und so die Abhängigkeit reduzieren werden. „Mit GAIA-X startet Europa ein ambitioniertes Projekt für sichere, verteilte und souveräne europäische Dateninfrastrukturen“, sagt Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter digitale Geschäftsmodelle im eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.
Mit digitaler Souveränität oder auch Datensouveränität ist die Möglichkeit gemeint, im digitalen Raum unabhängig und selbstbestimmt handeln und entscheiden zu können. GAIA-X soll diese Forderung insofern realisieren, dass es sich um eine Dateninfrastruktur handelt, die die vollständige Kontrolle über gespeicherte und verarbeitete Daten garantiert und eine unabhängige Entscheidung, wer auf die Daten zugreifen darf, ermöglicht.
Trotz der zunehmenden digitalen Möglichkeiten haben noch einige Unternehmen unsichere Wahrnehmung von Cloud-basierten IT-Lösungen. Diese skeptische Einstellung bedeutet oft jedoch einen Wettbewerbsnachteil, da Unternehmen ihre Ressourcen nicht optimal nutzen. Mit GAIA-X besteht die Hoffnung, Vorbehalte und Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen und eine digitale Zukunft zu fördern. GAIA-X verspricht eine vertrauenswürdige und transparente Dateninfrastruktur zu sein.
Eine weitere Zielsetzung von GAIA-X besteht darin, ein digitales Ökosystem zu schaffen, das innovative Produkte und Geschäftsmodelle fördert. Europäische Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, konkurrenzfähig zu skalieren.
Mit GAIA-X sollen also zentrale und dezentrale Infrastrukturen zu einem gemeinsamen System vernetzt werden und so einen vertrauenswürdigen Zusammenschluss von Cloud-Anbietern und deren Angeboten schaffen. Dadurch, dass GAIA-X auf einem Open-Source-Ansatz basiert, soll eine maximale Transparenz für Unternehmen geschaffen werden. Das Projekt GAIA-X hat es sich zum Ziel gemacht, theoretisch jedem Unternehmen die Teilnahme an der Dateninfrastruktur zu gewährleisten.
Seit der Vorstellung des Projekts GAIA-X auf dem Digital-Gipfel im Oktober 2019 nimmt das Projekt langsam feste Strukturen an. Denn es wurden nun die notariellen Unterlagen für die Gründungsorganisation unterzeichnet. Bei den Beteiligten handelt es sich um 22 Unternehmen und Institutionen je zur Hälfte aus Deutschland und Frankreich; darunter BMW, Bosch, SAP, die Deutsche Telekom sowie die französischen Konzerne Atos, Orange und EDF.
Die gegründete Non-Profit-Organisation GAIA-X AISBL mit Sitz in Brüssel ist für die Finanzierung und die Organisation des Projekts verantwortlich. Von der dort aus soll das Dateninfrastrukturprojekt erarbeitet werden. Dazu haben sich bereits 20 Arbeitsgruppen zusammengefunden, die sich mit konkreten Anwendungen für unterschiedliche Bereiche, darunter Industrie, Gesundheitswesen, Finanzen und Energie, auseinandersetzen.
„Wir sind äußerst motiviert, den Herausforderungen der europäischen digitalen Wirtschaft zu begegnen. Mit GAIA-X bauen wir gemeinsam eine souveräne und verlässliche digitale Infrastruktur und ein Ökosystem für Innovationen in Europa auf. Auf diese Weise stärken wir die digitale Souveränität von Unternehmen, in Forschung und Bildung, von Regierungen und der Gesellschaft als Ganzes."
- Servane Augier, Chief Operating Officer bei 3DS OUTSCALE.
Das Projekt sei nun endgültig in feste Strukturen überführt und offen für weitere Länder. "Ich bin zuversichtlich, dass es schnell gelingen wird, weitere Mitglieder zu gewinnen", so der Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Es werden nationale und multinationale, europäische und außereuropäische Unternehmen sowie Partner aus Wissenschaft und Politik, die europäische Standards und Werte teilen, zur aktiven Teilnahme und Mitgliedschaft eingeladen. Anfang 2021 soll Gaia-X operativ am Markt sein und europäischen Firmen eine Alternative zu nicht-europäischen IT-Dienstleistungsanbietern bieten.