13. Dezember 2022 (aktualisiert am 18. Juli 2023) Erstellt von Niklas Eckert
Ghosting – das ist eigentlich ein Phänomen, das im Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen auftritt. Doch mittlerweile zeigt sich dieser Trend auch am Arbeitsplatz. Es betrifft dabei nicht nur eine Seite, sondern Arbeitnehmer und Arbeitsgeber gleichermaßen.
Der Begriff „Ghosting“ stammt aus den USA und ist vor allem im Dating geläufig. Ohne einen ersichtlichen Grund und ohne Vorwarnung bricht der Chatpartner den Kontakt ab, ignoriert oder blockiert die andere Person sogar. Dabei betrifft das Phänomen in erster Linie die jüngeren Generationen, die in den sozialen Medien und auf Dating-Plattformen aktiver sind. Etwa ein Viertel der Deutschen haben laut Umfragen bereits Erfahrungen mit Ghosting gemacht. Unter den 18- bis 33-jährigen Singles liegt dieser Anteil bei etwa 80 Prozent.
Im Arbeitsumfeld spricht man von Ghosting, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein plötzlicher Kontaktabbruch eintritt. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren stark verbreitet und kann in verschiedenen Phasen des sich anbahnenden oder bestehenden Beschäftigungsverhältnisses auftreten.
Die eine Seite des Ghostings betrifft die Arbeitnehmer. Eine bekannte Form, die wohl viele Bewerber schon erlebt haben, ist, dass Unternehmen gar nicht auf eine Bewerbung antworten. Das Ghosting kann jedoch weitgehender sein. So kann es sein, dass sich ein potenzieller Arbeitgeber nach einem scheinbar positiven Vorstellungsgespräch nicht mehr meldet. Manche Bewerber treffen den Personaler erst gar nicht an.
Doch nicht nur Bewerber beklagen sich über Ghosting durch den Arbeitgeber. Auch bereits Angestellte sind davon betroffen. Darunter kann auch fallen, dass sich Führungskräfte eines Unternehmens gar nicht mit den Angestellten auseinandersetzen. In Zeiten von Home-Office und der digitalen Kommunikation äußert es sich beispielsweise darin, dass Nachrichten der Mitarbeiter unbeantwortet bleiben, beziehungsweise ignoriert werden.
Waren es zuvor meistens die Arbeitgeber, die ihre Position ausnutzten und Bewerber ghosteten, so hat sich dieser Trend mittlerweile umgekehrt. Eine Umfrage der Jobbörse Indeed aus dem Jahr 2019, in der 4.000 Arbeitssuchende und 900 Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen befragt wurden, ergab, dass über 80 Prozent der Arbeitgeber bereits von Bewerbern geghostet wurden. Circa 70 Prozent der befragten Unternehmen fügten hinzu, dass dieses Phänomen erst in den zwei Jahren vor der Umfrage in Erscheinung getreten ist. Grund dafür ist, dass früher die Arbeitgeber die bessere Verhandlungsposition besaßen und aus einer Vielzahl von Kandidaten wählen konnten. Mittlerweile sind es jedoch die Arbeitnehmer, die zwischen verschiedenen Jobangeboten wählen können.
Konkret bedeutet Ghosting von dieser Seite betrachtet, dass Bewerber beispielsweise nicht zu ihrem Vorstellungsgespräch oder ihrem ersten Arbeitstag erscheinen, ohne es mit dem Arbeitgeber zu kommunizieren. Auch in der Probezeit ist es nicht unüblich, dass Angestellte von dem einen auf den anderen Tag nicht mehr bei der Arbeit erscheinen.
Die Gründe für Ghosting sind vielfältig und unterscheiden sich natürlich aus Sicht der Unternehmen und (potenziellen) Arbeitnehmer. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über typische Gründe, aus denen die jeweilige Partei ghostet:
Arbeitgeber | Arbeitnehmer |
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Die Folgen von Ghosting sollten keineswegs unterschätzt werden. Sowohl bei den Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern kann eine Unsicherheit und Frustration entstehen. Häufig werden die Gründe nicht bei der anderen Person, sondern bei sich selbst gesucht. Das kann bei Bewerbern und Mitarbeitern, aber auch den Verantwortlichen eines Unternehmens zu Selbstzweifeln führen.
Je später Ghosting auftritt, desto weitreichender können die Folgen sein. Der gesamte Bewerbungsprozess kann beiden Seiten viel Zeit kosten. Bewerber müssen passende Stellen suchen, Bewerbungen schreiben, die möglichst auf die Anforderungen der jeweiligen Ausschreibungen abgestimmt sind und Vorstellungsgespräche wahrnehmen. Doch auch für die Unternehmen kann dies ein zeitintensiver Prozess sein, der darüber hinaus Personal bindet, das in den Bewerbungsprozess und die Einarbeitung involviert ist. Darüber hinaus ist die Schaltung von Stellenanzeigen auf vielen Portalen kostenintensiv. Wenn aufgrund des Fernbleibens von Bewerbern neue Anzeigen geschaltet werden müssen, so erhöhen sich die Kosten, die das Unternehmen für die Besetzung der offenen Stellen aufwenden müssen.
In Extremfällen fehlen dem Unternehmen fest eingeplante Mitarbeiter. Das kann dazu führen, dass auf die bereits im Betrieb tätigen Mitarbeiter mehr Arbeitsaufwand zukommt oder Projekte gar nicht bearbeitet werden können.
Betrachtet man diese teils schwerwiegenden Folgen, die ein solches Verhalten mit sich ziehen kann, so stellt sich die Frage, inwiefern die Verantwortlichen dafür belangt werden können. Laut Indeed befürchten über 90 Prozent der Job-Suchenden, die einen Arbeitgeber geghostet haben, kaum bis gar keine Konsequenzen.
In der vernetzten Welt können Informationen zu Unternehmen schnell verbreitet werden, so auch der Umgang mit Mitarbeitern oder Bewerbern. Wenn Ghosting in einem Betrieb vermehrt auftritt, so hat es einen Imageschaden zu befürchten, der dazu führen kann, dass die Zahl der Bewerber sinkt.
Die Unternehmen gehen wiederum aufgrund der sich häufenden Fälle von Ghosting von Bewerbern dazu über, die Namen zu sammeln und sie für zukünftige Ausschreibungen nicht in Betracht zu ziehen. Das dürfte den meisten Betroffenen jedoch egal sein, solange sie sich nicht wieder bei der Firma bewerben wollen oder zufällig bei anderen potenziellen Arbeitgebern auf frühere Mitarbeiter treffen. Zumindest bis zum Vorstellungsgespräch haben sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber keine weitreichenden Konsequenzen zu befürchten, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Vertrag zustande gekommen ist.
In einer späteren Phase kann sich die Situation anders darstellen. Wenn ein Bewerber sich auf ein konkretes Vertragsangebot nicht äußert oder ein Unternehmen diesem keine Rückmeldung nach dem Vorstellungsgespräch gibt, so entstehen nicht zwangsweise Schadensersatzansprüche der anderen Partei. Wenn jedoch ein berechtigtes Vertrauen besteht, dass es zu einem Vertragsschluss kommt, so können Schadenersatzpflichten entstehen, sollten die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen werden. Der Nachweis, dass entsprechende Schäden dadurch entstanden sind, ist jedoch kaum beziehungsweise nur mit einem unangemessenen Aufwand zu erbringen. Ähnliche Voraussetzungen gelten, wenn ein Bewerber nicht zum ersten Arbeitstag erscheint oder die Beschäftigung aufnimmt und diese ohne Kündigung abbricht.
Von den Unternehmen können zum Beispiel Vertragsstrafen eingesetzt werden. Diese können zum Beispiel bei Nichtantritt der Beschäftigung oder der Nichteinhaltung einer festgelegten Kündigungsfrist greifen. Für bestehende Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, diese abzumahnen oder sie bei mehrfachen Vergehen zu entlassen.
Ghosting ist ein Trend, mit dem man in der Arbeitswelt zunehmend in Kontakt kommt und der in jedem Fall ernst genommen werden sollte. Es ist zwar oft der einfachere Weg für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zeugt jedoch von Respektlosigkeit und Unprofessionalität.
Das Gegenteil sollte der Fall sein. Beide Parteien haben das Recht auf die größtmögliche Transparenz. Natürlich können immer unvorhergesehene Fälle eintreten, die das Zustandekommen oder Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses negativ beeinträchtigen, trotzdem sollten auch diese offen kommuniziert werden.