21. Mai 2020 (aktualisiert am 24. September 2024) Erstellt von Viktoria Szostakowski Netze
Aktuelle Corona-Maßnahmen schränken unser Sozialleben sehr stark ein. Seitdem die Kontaktsperre gilt, greifen immer mehr Leute zum Telefon, um ihre Liebsten zu sprechen. Aber auch Bewerbungsgespräche, Konferenzen und Meetings finden nun oft telefonisch statt. Kein Wunder also, dass die Anzahl geführter Telefongespräche stetig steigt. Dabei wird die Netzqualität in Deutschland seit Langem kritisiert und schneidet im Vergleich zu anderen Ländern deutlich schlechter ab. Rächt sich nun das Versäumnis schneller Netze?
Zahlreiche Telefonanbieter melden einen Zuwachs von Telefongesprächen. Auch der Telekommunikationsanbieter Vodafone liefert regelmäßige Netzupdates und berichtet über ansteigende Telefonienutzung. Der Vergleich zwischen dem Monat März und einem Monat vor der Corona-Krise zeigt im Festnetz einen Anstieg um insgesamt 80 Prozent und im Mobilfunk um 37 Prozent.
Auch wir bei fonial stellen fest: Die Leitungen glühen während der Corona-Krise. Seit März 2020 stieg das Call-Volumen, sprich die Summe der angefallenen Telefonieminuten, stetig an. Während sich der Anzahl der geführten Telefonieminuten in der Zeit vor der Corona-Krise immer um den in etwa selben Wert bewegte, wächst sie seit der Ausgangsbeschränkung in einer steilen Kurve nach oben. Von Februar 2020 bis März 2020 nahm das Call-Volumen um 30 Prozent zu. Der Jahresvergleich zeigt, dass das Call-Volumen in Minuten von April 2019 bis April 2020 um 71% anstieg.
Auch der Bedarf an Telefonie-Kanälen nimmt zu. Sowohl die Anzahl der PLUS, FREE und Trunking-Kanäle bzw. die Anzahl der dort aktivierten Rufnummern steigt – über die Corona-Monate März und April stieg die Anzahl aktivierter Rufnummer im Vergleich zum Monat Februar insgesamt um 7 Prozent.
Wie absatzwirtschaft berichtet, bildet Deutschland bei der Netzabdeckung und der Surfgeschwindigkeit im LTE-Mobilfunknetz fast das Schlusslicht in Europa. Lediglich Irland und Weißrussland schneiden noch schlechter ab. Auch im internationalen Vergleich sieht es für Deutschland nicht besser aus. Hier belegen wir mit 65,5 Prozent Flächenabdeckung den 70.Platz. Spitzenreiter sind Südkorea (97,5 Prozent) und Japan (94,7 Prozent), deren Fläche fast komplett mit verlässlichem Netz abgedeckt ist. Aber auch die USA, die Benelux-Länder, Skandinavien und Teile Osteuropas kämen auf eine Abdeckung von 80 bis 90 Prozent.
Jedoch bedeutet die Corona-Krise für alle eine neue Herausforderung. So plötzlich wie die Krise Europa erreicht hat, so schnell mussten auch die Telefonanbieter reagieren. Da das hohe Aufkommen an Telefongesprächen nicht vorhersehbar war, kam es anfangs zu einigen Engpässen und vereinzelten Störungen. Das Problem lag an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Netzen und deren ausgereizten Übergangspunkten, jedoch nicht an dem Telefonnetz an sich. Die kurzzeitigen Störungen bedeuten aber keinen Ausfall. Es hilft schon, das Gespräch erneut aufzunehmen.
Connect hat eine Krisenanalyse veröffentlicht, in der die Frage beantwortet wird, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Telefonie in Deutschland hat. Der Festnetzanbieter zafaco GmbH untersuchte 110 für die Netzqualität entscheidende Netzparameter vom 1. bis zum 30. März, um zu sehen, wie sich die seit 13. März verhängten Kontaktbeschränkungen auf die genutzten Dienste auswirken. Dazu setzt dieser über 52 Städte verteilte Messstellen ein, die die unterschiedlichen Leistungsklassen der Anschlüsse aller führenden Festnetz- und Breitbandanbieter berücksichtigen.
Zwar verbraucht die Telefonie einen geringen Anteil an den Datenübertragungskapazitäten der Netze, jedoch erfordert sie dedizierte Hardware und Schnittstellen in alle Fremdnetze, die dem nun erhöhte Nutzungsaufkommen standhalten müssen. Die Rufaufbauzeiten, sprich die Zeit zwischen der Wahl der letzten Ziffer bis zur schnellstmöglichen Gesprächsannahme, weichen kaum ab. Es sind seit der Ausgangsbeschränkung lediglich einige Zehntelsekunden höhere Schwankungsbreite festzumachen.
Der Mean-Opinion-Score, kurz auch MOS, ist das arithmetische Mittel einzelner Bewertungen. Der Wert kann dabei zwischen 1 und 5 liegen. In der Telekommunikation wird der MOS-Wert vorwiegend zur Beurteilung der Qualität von Sprach- und Bildübertragungsdiensten benutzt, wobei ein Wert von 5 einer perfekten Verbindungsqualität entspricht. Ab Werten um 2,5 hingegen ist das Gespräch in Teilen unverständlichen, weil das Gehirn korrumpierte Silben nicht mehr ergänzen kann. In der Krise zeigt sich jedoch, dass die Sprachqualität weiterhin hoch geblieben ist. Vor der Krise lag der MOS-Wert bei 4,4. Trotz Kontaktsperre, zunehmender Telefonie und erhöhter Schwankungsbreite ist der aktuelle Wert nur knapp unter den üblichen Wert gefallen.
Es zeigt sich, dass trotz der aktuellen Ausnahmesituation deutsche Telefonanbieter gute Arbeit leisten. Vereinzelte Störungen werden schnell behoben und es wird alles darangesetzt, eine zufriedenstellende Telefonie zur Verfügung zu stellen. Das ist auch wichtig, denn die Telefonie erweist sich nicht nur als Mittel gegen soziale Isolation, sondern stellt auch in systemrelevanten Bereichen eine wichtige Voraussetzung dar. So sind Krankhäuser, Polizeibehörden, Rettungsdienste als auch wirtschaftsrelevante Unternehmen auf eine funktionierende Telefonie angewiesen.
Es besteht kein Grund zu der Annahme, das deutsche Telefonnetz sei der Gefahr eines Ausfalls ausgesetzt. Stattdessen ist man sich der aktuellen Situation und der nun besonderen Anforderungen bewusst. Wie die Krisenanalyse zeigt, wurden die neuartigen Herausforderungen gut gemeistert und es lässt sich mit Sicherheit sagen, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird. Vielleicht ist die aktuelle Krise ein weiterer Anstoß dafür, um die Netzgeschwindigkeit in Deutschland auszubauen.